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3.3. Methoden der Projektbewertung und -priorisierung

In der unternehmerischen Praxis finden sich unterschiedliche Herangehensweisen zur Projektbewertung. Es lassen sich eindimensionale, komparative und mehrdimensionale Verfahren unterscheiden.63

Bei einer eindimensionalen Bewertung wird der Projektwert auf Basis von Methoden der Investitionsrechnung, finanzwirtschaftlichen Kennzahlen oder Risikoquantifizierungen ermitteln. Sie beinhalten somit nur ein meist monetäres Bewertungskriterium und erfüllt deshalb nicht die Anforderung auch qualitative, strategische Ziele zu berücksichtigen. Daneben stellen eindimensionale Bewertungsverfahren hohe Anforderungen an Güte und Granularität der zu Grunde liegenden Projektdaten. Prognoseunsicherheit, z. B. über zukünftige Zahlungseingänge, kann zwar durch Schätzungen unter Verwendung von Eintrittswahrscheinlichkeiten begegnet werden. Durch den ausgewiesenen quantitativen Projektwert wird jedoch leicht eine Scheingenauigkeit suggeriert.64 Trotz ihrer Nachteile lässt sich aber, zumindest für Großunternehmen, die Dominanz eindimensionaler und finanzwirtschaftlich geprägter Bewertungsmethoden empirisch belegen.65

Komparative Bewertungsmethoden basieren auf einem Direktvergleich der Vorteilhaftigkeit zweier Projekte, z. B. in Form von Expertenschätzungen. Der Vergleich ist für alle Projektpaare durchzuführen. Neben dem hohen Aufwand für die Durchführung, spricht gegen diese Methode vor allem die Gefahr geringer Akzeptanz der Ergebnisse in Folge fehlender Transparenz und Nachvollziehbarkeit.66

Entsprechend der aufgestellten Anforderungen an Bewertungs- und Priorisierungsverfahren (siehe Kapitel 3.2) weisen mehrdimensionale Projektbewertungen die höchste Eignung auf. Sie basieren häufig auf Scoring-Modellen (z. B. Nutzwertanalysen), mit denen die Projekte bewertet und an Hand des Ergebnisses (Projektscore) in eine Rangfolge gebracht werden. Die so erzeugte Prioritätenliste, ist Grundlage der Entscheidung für eine Aufnahme in das Projektportfolio. Ihrer Priorität folgend, werden die Projekte so lange realisiert, wie ihr gesamter Ressourcenbedarf (z. B. Projektbudgets) die im Unternehmen vorhandenen Ressourcen nicht überschreitet.67

Als mehrdimensional werden die Verfahren bezeichnet, weil sich mit ihnen beliebig viele qualitative und quantitative Bewertungskriterien zu einem Projektscore aggregieren lassen. In der Fachliteratur werden als typische Kriterien strategischer oder monetärer Nutzen, Kosten, Dringlichkeit, Komplexität und Risiko der Projekte benannt.68 Entgegen dieser Auffassung sollte Dringlichkeit als Projektbewertungskriterium jedoch kritisch hinterfragt werden, da dieses Vorgehen de facto eine Vorwegnahme der Projektpriorisierung darstellt. Besteht sachliche und zeitliche Dringlichkeit, erscheint es transparenter, die Maßnahme offen als Zwangsprojekt zu klassifizieren.

Auch der Ansatz, aus der Projektpriorität eine Empfehlung hinsichtlich der zeitlichen Bearbeitungsreihenfolge der Projekte abzuleiten69, lässt sich nur schwer unterlegen. Beispielsweise gehen die konkreten Projektablaufplanungen, inhaltliche Projektinterdependenzen und Zeitpunkte der Zugriffe auf Ressourcen nicht in das Scoring-Modell ein und bedürfen vertiefender Analysen. Insofern kann die ermittelte Rangfolge auch nur zur Auswahl des Projektportfolios herangezogen werden und impliziert keine zeitliche Reihe.

Werden bereits laufende Projekte in die mehrdimensionale Bewertung einbezogen, dürfen bereits angefallene Kosten (sunk costs) keine Berücksichtigung finden, da sie nicht mehr entscheidungsrelevant sind. Gleiches gilt für Projektrisiken, welche im Zuge der Projektdurchführung sukzessive abgebaut und Projektnutzen, die unabhängig von einer weiteren Fortführung des Projektes bereits realisiert wurden.70

 

63 Siehe Anhang 4: Übersicht der Projektbewertungsmethoden
64 Vgl. Kunz C. (Strategisches Multiprojektmanagement), S.124ff. und S. 135
65 Vgl. Becker W. / Kunz C. (Großunternehmen), S.32 und S.35
66 Vgl. Kunz C. (Strategisches Multiprojektmanagement), S.126
67 Vgl. Kunz C. (Strategisches Multiprojektmanagement), S.107ff. und S.124ff. und Seidl J. (Multiprojektmanagement), S.31
68 Vgl. Wollmann P. (Projektportfolio-Management), S.46, Kunz C. (Strategisches Multiprojektmanagement), S.107ff., S.124ff., S.137f. und Seidl J. (Multiprojektmanagement), S.34
69 Vgl. Seidl J. (Multiprojektmanagement), S.60
70 Vgl. Seidl J. (Multiprojektmanagement), S.33 und Kunz C. (Strategisches Multiprojektmanagement), S.107ff.